Donnerstag, 2. Juni 2011

Perth.


Der große Sommer zieht langsam vorüber und mit dem Herbst kehrt auch erstmal ein wenig Alltag ein. Viel ist im Augenblick nicht los. Vermutlich ist das auch der Grund für die momentane Bloggingfaulheit. Dennoch, ereignislos war die Zeit seit dem letzten Blogeintrag keines Wegs. Mehr als 2 Monate sind wir jetzt schon in Perth. Angefangen hat alles. . .naja, irgendwie eben. . . wie immer.



Nach dem Abschied von Vince und Kumpanen, galt es als erstes eine Bleibe zu finden. Das wir innerhalb von 24 Stunden eine dauerhafte Lösung für unseren Aufenthalt in der Stadt finden würden, hielten wir für etwas unrealistisch. Die Lösung: Couchsurfing. Nach unzähligen unbeantworteten oder abgelehnten Anfragen öffnete sich endlich eine Tür für uns. Scotty Joe ist der Name des 30 jährigen Australiers, in dessen Reich wir die ersten Tage verbringen sollten. Die richtigen Worte für die gewonnen Eindrücke zu finden ist schwierig. Sagen wir es so, Scotty hat eine ziemlich lange und traurige Geschichte zu erzählen die er weniger in Tränen als viel mehr in 10$ Weinpackungen ertränkt. Nach dem man ihn 10 Uhr morgens, das Frühstück, ins Waschbecken wiederkäuen sieht hört man Sätze wie:"I won’t let the Goon win!!"

Weitere detailgetreue Nacherzählung dahingehend würden nur zu Fehleinschätzungen über den Geisteszustand unseres Gastgebers führen und bleiben daher lieber aus. Niemand hätte uns den Einstieg in unser neues Leben mehr erleichtern können. Damit sind natürlich nicht nur wertvolle Tipps und Kontaktanlaufstellen gemeint.Während wir also die meiste Zeit mit Arbeits- und Wohnungssuche verbrachten, sorgte Scotty, je nach momentanem Gemütszustand, entweder für die Beschleunigung oder die Verarbeitung dieses Vorganges. Und dann waren da ja auch noch die ganzen anderen Besucher die sich langsam wie eine große Familie um den selbsternannten Hostelbesitzer scharten.

Man hatte immer viel zu lachen und das ist vor allem im Stress viel Wert. Hinter dem nach außen so abgestumpft und herunter gekommen wirkenden Scotty steckte eben eine durchaus charakterstarke und hilfsbereite Persönlichkeit, der es für einiges zu danken gilt.


Aufgrund des Rufes der Stadt sahen wir unsere Karriere Zukunft im Café- und Nachtleben. Das RSA (Responsible Serving of Alcohol) Zertifikat war in einem 3 stündigen Onlinekurs absolviert. Barkeeper und Stocker auf dem Future Music Festival, war die Belohnung die man uns dafür in Aussicht stellte.

Berufsbild:
-Bewirten von zehntausenden feierwütigen Freunden der „elektronischen Tanzmusik“

Aufgabenfeld:
-Getränkeausschank (Bier, Sekt, Wodka-Mix, Bourbon-Mix UND O-Saft)
-Aufstocken (Eis, Getränke UND gute Laune)
-Versuchen Chemieforschern und taumelnden Suffleichen klar zu machen das sie lieber erstmal beim Wasser bleiben sollten
-Die Anstrengung mehr auf das Musik hören als auf effiziente Arbeit verlagern. . . immer frei nach dem Motto: “Arbeite nicht für das Festival. Lass das Festival für dich arbeiten.” (Geschicklichkeit beweist sich hier auch durch planloses umherlaufen zwischen ohnehin schon von Arbeitern überfüllten Ständen)




Sehr unterhaltsam war festzustellen wie gegen 9:00 alle hochprozentigen Alkoholressourcen leer gekauft waren. Die mürrischen Antworten auf: “Sorry mate, unfortunately we’re out of Smirnoff. What ‘bout a Carlton* or a Tooheys*??”(*-Bier) kann man als deutscher Biertrinken, bei der australischen Biergeschmackkomposition gut nachvollziehen. Es war genauso unterhaltsam wie es sich anhört und leider auch dementsprechend kurzfristig.

So kam es, dass die in Angriff genommene Gastronomiekarriere ein jähes Ende fand. Grund, einfach zu viele Backpacker in der Stadt und scheinbar war jeder scharf darauf in einem der unzähligen Szene Bars, Cafés oder Nachtclubs zu arbeiten. Da halfen auch die fantasievoll erdachten, deutschen Arbeitsreferenzen im modifizierten Lebenslauf nicht wirklich. Fazit: Zu viel Nachfrage, zu wenig Stellenangebote.

Ein Alternativplan musste her.
-Baustelle? möglich, aber nicht ohne White Card. Da das aber ein ähnliches Zertifikat wie das RSA ist, wieder Geld und vor allem Zeit kostet, wollten wir einen weiteren Reinfall möglichst umgehen.
-Fastfood Restaurant? Die wollen uns sowieso nicht, die stellen lieber 16 jährige Australier unter Mindestlohn ein.
-Farm Work? ohne Feld und Vieh irgendwie schwer.
-Housekeeping? uff, nicht nochmal. NEE! Ein bisschen Ehre bleibt dann doch noch.

Was können wir denn sonst noch?? RICHTIG! LABERN!!!
Gesagt, getan und nach ein, zwei Bewerbungsgesprächen hieß es dann “Klopf klopf”. . . “wer ist denn da?? Oh der Micha und der Basti, sie kommen um mein Geld zu nehmen”.

Door to Door Sales, das Ass im Ärmel. Der perfekte Zaubertrick fürs leere Backpackerkonto, wenn gewusst wie. In einem einwöchigen Training wurden wir mit so ziemlich allem bombardiert was man über die/das Produkt(e) so wissen muss. Prices, Deals and Discounts. Viel wichtiger und interessanter war jedoch den eigentlichen Verkaufsprozess zu analysieren und vorzubereiten. Report, Discovery, Recommendation, Ask. der Weg zum Verkauf und unser Weg zum Glück. Man exorzierte Szenarien, lernte psychologische Tricks zum Sympathiegewinn und verinnerlichte die ersten Sätze der Verkaufskonversation.

Mit dem Beginn der Trainingswoche war endlich auch die finale Bude gefunden. Ein Zimmer in einem relativ stadtnahen und geräumigen Haus mit Kunststudenten Flair. Unsere Gastgeberin Alana machte einen sehr in sich gekehrten und zurückhaltenden ersten Eindruck, schien aber dennoch eine sehr nette Person zu sein. Zögernd fast schon ein wenig beschämt wirkt sie in alltäglichen Situationen und Gesprächen mit uns. Doch wie die ersten Tage vergingen, änderte sich das Bild ein wenig.
Es war ein ganz normaler Abend, an dem ich vor der Spüle stand und mir den Abwasch vornahm, der schon seit Tagen überfällig war. Ein wenig verwirrt, fast schon als stünde sie neben sich blicke mich Alana an als sie die Küche betrat. Dann kehrte sie sich ab ohne ein Wort gesagt zu haben und nahm zwei Scheiben Toast aus dem Schrank. Nach mehrmaligen Versuchen den Toaster zu betätigen gab sie ihr Unterfangen auf und spielte nervös mit ihren Händen umher. Ich versuchte ihr klar zu machen das der Hebel sich von allein wohl nicht bewegen würde und half ihr. Nochmals blickte sie mich nur beschämt an und versuchte ein Lächeln hervor zu zwingen. Dann wies sie mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger auf meinen Fuß. Ein wenig irritiert fragte ich: “what’s the matter, s there something wrong with my foot??”. Worauf Alana antwortete: “Sebastian!! Your feet, they look like wood! Can’t you see!? With the entire kitchen floor moving and those green and brown stripes.” Für eine Sekunde zweifelte ich ein wenig an meiner Sprachkenntnis. Das machte alles irgendwie keinen Sinn. Aber das musste es auch gar nicht. Bei einem tieferen Blick in ihre Augen stellte ich fest was der Grund ihres merkwürdigen Verhaltens war. Sie war total high!! Dann drehte sie sich um und es wurde alles nur noch abgedrehter. Sie hielt mir einen fünf minütigen Vortrag über ihre Teepackungen, die ihrer Meinung nach aussahen wie Wolkenkratzer der Perth City.
Nachdem ich den Schock überwunden hatte und auch mein Lachen nicht mehr zurück halten konnte, schien sie langsam selbst zu realisieren was sie da von sich gab. Plötzlich war sie wieder die schüchterne und beschämte Alana. Diesmal wohl zu Recht.

Ein paar Tage später war der erste “richtige” Arbeitstag gekommen. Mit den Waffen unseres Verstandes gewappnet traten Micha und ich auf die Straße, bereit den Kampf gegen die mehr oder weniger gefüllten Geldbeutel der Bürger Perths anzutreten. Weiter und weiter kreisten die ersten Sätze und das gesamte Verkaufsritual durch unsere Köpfe. Und da war sie, die erste Tür. Nur ein wenig musikalische Untermalung hätte diese Begegnung mehr dramatisieren können. Entschlossen bewegte ich meine zur Faust geballte Hand in Richtung Eingang. Knock. . .Knock. . .Knock. . . und dann!!

NICHTS.

Nochmal. Knock. . . Knock. . . Knock. . .

NICHTS.

Keiner da. Mmh. Auf zur nächsten Tür. Wieder öffnete niemand. Jedoch machte es nach einer Weile Sinn. Immerhin war es 2 Uhr mittags. Wer nicht arbeitslos, schwanger oder pensioniert ist würde wohl kaum zu Hause sein. Ein wenig zu routiniert im Klopfen unbemannter Häuser stockte mir etwas der Atem als ich das erste Mal Schritte von der anderen Seite auf die Tür zugehen hörte. Dennoch gefasst begrüßte ich meinen ersten Kunden mit den geübten Sätzen. Naja es war mehr ein Versuch diese Worte zu äußern.

Ich: “hey my Name is Sebastian, I am visiting. . .”
Kunde: ”Uhhh. . .Foxtel!? Not interested!”

Dann schwang die Tür, etwas entschlossener zu, als sie geöffnet wurde. Und das war ein Schock. Man hatte uns alle möglichen Tricks für das Verkaufsgespräch verraten, aber darauf hatte ich mich nicht eingestellt.



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Ich denke ich spreche für Micha und mich, wenn ich sage, es dauerte ein paar Tage sich an die gemischten Reaktionen der Kundschaft zu gewöhnen. Es fing an zu funktionieren, als man aufhörte sich auf sich selbst zu konzentrieren und anfing auf den Menschen der vor einem steht zu reagieren.



Eines soll auf jeden Fall gesagt sein. Es ist vielleicht nicht die angesehenste Arbeit auf Erden. Es ist auch auf keinen Fall eine Arbeit von der man ein Leben lang begleitet werden will. Aber wenn man weiß wie sie funktioniert, wenn man ein bisschen Anstrengung investiert und erste Erfolge feiert, beseitigt die Bezahlung alle Zweifel.

So liege ich heute den ersten Tag seit langem wieder arbeitslos in meinem Bett. Habe den Payslip vor Augen, die Landkarte neben mir und blicke mit sorgenlosem Grinsen den restlichen Monaten unserer Reise entgegen.



TIME TO HIT THE ROAD AGAIN!

Basti







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